Hat dir dein Orthopäde einen Senk-Spreizfuß und beginnenden Hallux valgus diagnostiziert - garniert mit einem Lächeln und zugehörigen ICDs? Nicht verzagen! Nimm diese Aussage als Chance, jetzt noch etwas zu ändern, bevor's richtig schlimm wird. Eine Operation muss nicht die einzige Lösung sein - vorausgesetzt, du bist bereit, deine Fußnutzungsgewohnheiten fußverträglicher zu gestalten. Und das ist gar nicht so schwer. Zudem wird die operative Korrektur sehr wahrscheinlich nur für eine gewisse Zeit helfen, wenn du die füßischen Grundvoraussetzungen nicht änderst.
Im letzten Artikel haben wir erkundet, wie so ein Hallux valgus eigentlich entsteht.
Heute entwickeln wir ein alltagstaugliches Konzept, wie wir
Wie im Modellbild oben schön zu sehen, schließen die Mittelfußknochen wie Strahlen an deine Zehen an.
Vergrößerst du die Zwischen-Zeh-Räume immer mal wieder, strahlt die Bewegung zwangsläufig in den Mittelfuß. Sämtliche Zehen-Spreiz-Maßnahmen entspannen und lockern den Mittelfuß. Ob du dazu deine Finger benutzt, Weinflaschenkorken, zugeschnittene Schwämme, Papilotten oder käuflich zu erwerbendes Spielzeug (z.B. Yogatoes, Zehenseperatoren oder ähnliches), bleibt dir überlassen.
Sind deine Zehen in den Grundgelenken steif, wird das Abrollen deines Fußes beim Gehen schwierig. Locker-lässig-gängige Zehengrundgelenke lassen dich deinen laufenden Fuß biomechanisch besser nutzen: Erinnere deine Fußfinger wieder sanft an ihre Bestimmung: Nimm jeden Zeh einzeln und beuge ihn passiv, vorsichtig und bewusst fühlend Richtung Fußrücken.
Widme dich besonders dem Großzehengrundgelenk: Umfasse deinen Fußdaumen mit der ganzen Hand und ziehe ein wenig. Nicht grob sein, gell? Nimm ihn mit in die Beugung und Streckung. Du darfst ihn auch leicht unter Zug nach innen drehen.
Spüre dabei, wie leicht das gehen kann. Nicht das Bewegungsausmaß zählt, sondern dass du die Mühelosigkeit der Bewegung fühlst - auch wenn sie (noch) ganz klein ist. Mit der Leichtigkeit wird sich das Bewegungsausmaß vergrößern. Also keinen falschen Ehrgeiz!
Viele Füße fühlen sich in diesem Bereich an wie Pinocchios Klotzfuß - eingesperrt in festen Schuhen ist ja kaum Bewegung möglich. Die nicht genutzten Bewegungsmöglichkeiten landen dann in der Benutzen-wir-gerade-nicht-Schublade. Das ist schade, denn entspannte Füße können mehr kompensieren als Klötze.
Mobilisiere deinen Mittelfuß, um wieder Leben in diesen Bereich zu holen:
Umfasse mit beiden Händen den Fuß, so dass der eine Daumen am Großzehengrundgelenk den anderen am Grundgelenk des Zeigezehs trifft. Die Kuppen der Mittelfinger und/oder Zeigefinger bilden die Gegenstücke an der Sohle.
Bewege die Hände gegengleich wellenartig auf und ab. Erscheint dir das Gewebe locker und durchgängig, gehe ein Gelenk weiter, bis du an der Außenkante angekommen bist. Wandere ein kleines Stück weiter Richtung Ferse zurück zur Innenkante, wieder ein bisschen tiefer und wieder hinüber, bis du mit deinen massierten Zeilen die Fußwurzel erreicht hast.
Im Verlauf dürfen die an der Sohle arbeitenden Finger ihre Bahn verbreitern, so dass du den oft festen muskulären Anteil unter der Fußwurzel kräftig bearbeiten kannst. (Siehe Video: https://www.youtube.com/watch?v=rMSho_-hL58)
Hast du keine Zeit-oder Lustkapazitäten für eine Massage, schenke deinen Füßen zahlreiche und häufige Impulse: Igelbälle oder ähnliches füßisch rollen, barfußlaufen, Schuhwechsel... Hier findest du eine Bastelanleitung für Ballitos, hausgemachtes Fußspielzeug
Am Knetmodell zeigt uns die schienbein-simulierende Ballerina, wie ihr mittiges Stehen in der Knöchelschale eine hübsche, gerade aufgerichtete Achse vom Zeigezeh übers Schienbein nach oben bildet. So läuft die Kraftlinie optimal, und das Großzehengrundgelenk wird entlastet.
Das können wir auch! Stell dir vor, du hättest Glotzeaugen auf deinen Knien und auf den Kuppen der deiner Zeigezehen. Schauen alle vier in die gleiche Richtung? Geradeaus nach vorne? Kontrolliere die Blickrichtungen im Spiegel und korrigiere ggf.
Behalte dieses Bild bei: beim Gehen, beim Tanzen, wobei auch immer. Rolle über diese Linie deine Füße ab!
Dass "Entenfüße" - also auswärts gedrehte Zehen - dabei nicht gerade hilfreich sind, ist klar.
Damit trainierst du automatisch deinen langen Scheinbeinmuskel. Er setzt außen am Knie an, zieht nach unten zur Innenseite deines Fußes und schlüpft unter die Sohle, um dort an den Fußwurzelknochen zu ankern. So geschickt spiralig angebracht unterstützt er die Aufrichtung im Knöchel.
Es kann sein, dass dein langer Wadenmuskel an der Außenseite der Unterschenkel durch langjährige Innenkippung im Knöchelbereich ein wenig mault. Möglicherweise hat er sich an seinen Kurzzustand gewöhnt hat und fühlt sich ein bissel verholzt an. Massiere diesen Bereich immer mal wieder kräftig: mit der Faust oder ähnlichem ;) feste ausstreichen.
Hast du lange Jahre im Hochschuh verbracht, möchten Achillessehne und die strammen Wadelbrüder an Rückseite vielleicht auch nicht gerne in die ungewohnte Dehnung gehen. Hab Geduld mit ihnen und gewöhne sie langsam wieder an ihre ursprüngliche Stellenbeschreibung: Auch die Ferse wohnt auf dem Boden.
Tänzer unterteilen ihre Pfoten in den sogenannten Sprungfuß und den Stützfuß - ein prima Konzept, das es wert ist, geklaut zu werden.
Als Sprungfuß fungiert der innere Part mit Großzehe, Zeige- und Mittelzeh samt zugehörigen Mittelfußknochen. Für dynamische Aktionen ist es von Vorteil, just diesen Genossen die Hauptarbeit zu überlassen, da sie die Sprungkraft optimal übers Schienbein nach oben übertragen.
Zum Stützen beim Stehen benutzen wir zusätzlich die äußeren Anteile und die Ferse so, als würden wir seitliche und rückwärtige Ausleger ausklappen: mehr Standfläche - mehr Stabilität.
Versuche im Alltag, diese beiden Fraktionen gemäß ihrer Funktion einzusetzen. Erfahrungsgemäß neigen Halluxist(inn)en gerne dazu, ständig auf dem Sprung zu sein. Gönne deinen Füßen bewusst gestütze Erholung zum Beispiel beim Zähneputzen oder an der Supermarktkasse.
Um den Unterschied besser zu erspüren und die Muskeln am Unterschenkel zu trainieren, kannst du dich immer mal wieder auf die Zehenspitzen heben und anschließend bequem auch die Außenseiten zum Stehen nutzen. Fühle den Unterschied!
Musst du beruflich zwingend hohe Schuhe tragen, sind die hier vorgestellten Ballenzeh-Vermeidungsstrategien ganz besonders wichtig. Du hast ja mal Feierabend oder frei.
(Mehr dazu in meinem Blogbeitrag zum Thema Schuhe http://im-prinzip-tango.blogspot.de/2017/08/die-richtigen-schuhe.html)
Hat man dir Einlagen angeraten? Diese sind eine feine "Akut-Medizin", um für einen gewissen Zeitraum das Fußgewölbe stützend zu entlasten. Aber wie bei jedem Medikament entwickeln sich bei Langzeitgebrauch Nebenwirkungen: Durch die chronische Übernahme der Haltearbeit werden deine Muskeln im Unterschenkel irgendwann schwächeln und ihre Aufgabe nur suboptimal erledigen können. Die Bewegungseinschränkung direkt im Fuß nimmt zudem wichtige kleine Bewegungsimpulse weg. Die zugehörigen Bewegungsmuster landen dann in der Benutzen-wir-derzeit-nicht-Schublade, und das wollen wir gerade nicht!
Gewöhne deine Füße langsam, sanft und geduldig an einen Nutzungsplan, der "so nah an barfuß wie irgendwie möglich" liegt.
Die Haut ist dein eingebauter, von den Schöpfern mitgegebener "Naturschuh" und verdient mindestens genausoviel (wenn nicht mehr!) Pflege wie deine gekauften Extern-Schuhe:
Halte die Haut geschmeidig, salbe oder öle gegen rissige Haut vor allem am Ballen.
Vermeide direkten Druck durch zu enge Schuhe. Druckbelastete Stellen - egal ob von außen oder durch Fehlbelastung - reißen gerne ein und heilen schlecht. Im Handel gibt es diverse "Hallux Schutzkappen": fertige, strumpfähnliche Bandagen oder Produkte aus Silikon - manche sogar mit eingebautem Zehenspreizer.
Schenke auch den gesamten Fußballen an der Sohle Aufmerksamkeit: Oft ist das Großzehengrundgelenk nicht die einzige Baustelle. Durch die meist über Jahre eingeübte ungünstige Druckbelastung und das flach-steife Quergewölbe entwickeln sich gerne Hühneraugen im mittleren Bereich. Auf einem Hühnerauge steht sichs gar nicht gut, und genau das würde das Lernen einer biomechanisch günstigeren Haltung stören oder sogar verhindern. Lass in dem Fall als Halluxminderungs-Investition eine gute Fußpflegerin die Grundbedingungen verbessern. (Hier stehe ich dir gerne als heilpraktische Krankenschwester fußpflegerisch zur Verfügung.)
Das sind doch eine ganze Menge Ideen, an denen du als beginnender Eigenfuß-Experte ansetzen kannst! Dass sich deine Gesamt-Köperhaltung zwangsläufig mitverbessern wird, ist ein netter Nebeneffekt, den man gut hinnehmen kann, finde ich.
Aber nicht verzagen, das dauert seine Zeit. Dein Hallux ist ja auch über lange Jahre gezüchtet und nicht vom Himmel gefallen. Stell dir lieber vor, wie schön es sein wird, wieder schmerzärmer oder sogar schmerzfrei tanzen zu können - oder was auch immer.
Und genau heute ist der richtige Tag, um anzufangen!
Du darfst die Vorschläge nach Belieben kombinieren, in der Reihenfolge verändern oder mit Wellnessgeschichten ergänzen. Es sind deine Füße, und du spürst, was ihnen guttut.
Jochen Lüders
> ARTIKEL!!!!!
Da scheint was zu fehlen. ;-)
Kommt später nochmal: "ARTIKEL !!!!(Mehr dazu in meinem Blogbeitrag [...]
Habe in https://jochenlueders.de/?p=16115 auf deine beiden Hallux valgus Artikel verlinkt.
Manuela Bößel
danke! Links sind nun ordnungsgemäß drin.
LG Manuela
Was denkst du?