Der Körper hat gesprochen!

Ein psychosomatisches Dramolett

So könnte ein suboptimales „Gespräch" zwischen einem Körper und dessen Besitzer aussehen. Oder einer Körperin und Besitzerin. Vermute ich. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall aus Sicht des Körpers. Bitte sei nachsichtig: Körper haben's nicht so mit Menschensprache. Drum kann die Übersetzung auch grob und angenähert sein.

Körperbesitzer: Sieht nix. Hört nix. Fühlt nix. Keine Zeit. Keine Lust.

Körper ist in Not! Ruft. Sonst kaputt! Besitzer will nicht. Muss arbeiten. Muss Kind versorgen. Muss Radl fahren. Und der Körper? Der muss mit.

Körper will nicht. Ist festgewachsen am Besitzer. Hilft nix. Muss halt mit. Tut gar nicht gut! Besitzer-Mission muss! Ist Chef. Ist Daseinszweck. Horch! Besitzer! Hunger! Durst!

Besitzer spürt, es zwickt, leicht flau. Macht nix. Weiter so! Ohren zu und durch! Muss arbeiten. Muss fleißig sein. Keine Lust und keine Zeit! Muss Kind versorgen. Muss Garten gießen. Muss Himalaja flugs besteigen.

Körper will nicht. Will Sonne spüren, essen, schlafen, lieben, tanzen, singen. Darf nicht. Ist festgewachsen am Besitzer. Hilft nix. Darf nicht. Muss mit. Daseinszweck. Horch! Hunger! Durst! Brauch Lebenslust! Sonst kaputt! Jetzt laut!

Besitzer hört nicht. Will nicht. Keine Lust. Und keine Zeit! Muss arbeiten.

Körper will nicht. Körper kann nicht. Grenze! Stopp! Stolpert. Bein kaputt.

Besitzer hört nicht. Keine Lust. Und keine Zeit. Muss arbeiten. Geht nicht. Bein kaputt. Tut weh! Ja, fühl, Besitzer! Fühlt nicht. Keine Lust. Und keine Zeit. Muss arbeiten. Muss Himalaja flugs besteigen.

Körper will nicht. Körper kann nicht. Schaltet aus. Fällt um. Bewusstlos. Dem Besitzer notentzogen. Körper heilt. Zeit. Was ist Zeit?

Besitzer da. Muss arbeiten. Arbeiten am stark Sein. Nicht umfallen. Nicht schwach sein. Arbeiten! Muss arbeiten! Muss fleißig sein!

Körper mag nicht. Körper kann nicht. Horch! Brauch Spielen, Sonne, Liebe, Lebenslust und Sehnsucht! Körper heilt. Zeit? Was ist Zeit?

Besitzer sagt, hab keine Zeit. Nur Unfug das! Muss arbeiten. Und fleißig sein. An mir. An dir. An dir vor allen Dingen!

Körper stutzt. Gehört? Wenn auch verneint? Dann weiter so? Die ganze Zeit? Brauch Licht und Luft und Träumen! Lebenslust! Vielleicht auch mal Salat? Gehört, mein Freund?

Besitzer sagt, hab keine Zeit. Nur Unfug das. Muss arbeiten. Muss fleißig sein. An mir. An dir. Sei stark! Und schweig! Hab für solches keine Zeit.

Körper weint. Geht mit zum Turnen, Therapie. Sogar zum großen Fachmann hin. Der misst und piekt und meint: Oje! Schlechter Zustand! Krank!

Körper weint. Ich sags dir doch schon lang! Horch zu! Ich weiß doch, was ich brauch. Du auch! Essen, schlafen, träumen, dann und wann. Und manchmal Wein und Tanz. Hör halt zu, wenn ich was sag! Dann kommt es nicht soweit! Dann sind wir Freunde du und ich. Bin treu und bleib bei dir. Nur horch auch bissle mal auf mich.

Besitzer schweigt. Und flieht.

Körper tobt! Jetzt schmerzt's. Muss mit zur Therapie. Will nicht! Er schreit! Und schmerzt dabei! Jetzt fühl, du Depp! Ich lass dich nie! Brauch alles! Essen, Luft und Lebenslust! Und Liebe! Her damit! Spür mich! Spür Dich! Hilf mir doch!

Besitzer will nicht. Schweigt. Seinen Körper mag er nicht. Muss arbeiten. Muss fleißig sein. An sich. An ihm. Hat keine Zeit. Schwachsein blöd! Nein! Nie!

Körper rast! Die Wut, die glüht! Will nicht zur Therapie! Will nicht zur Arbeit! Fleißig sein! Nein! Nie mehr! Nie mehr! Nie!

Besitzer zwingt. Der Körper brennt! Jetzt wird es gleich geschehen! Ich bring dich um! Dann platzt dein Herz! ...

tangofish psychosomatisches drama 2

Und hier blenden wir die Geschichte lieber aus, bevor es zu grauselig wird. Aber vielleicht kommen sich die beiden im letzten Moment, im Sonnenuntergang, im Angesicht des Todes (dramatische Musik!) doch noch näher? Wer weiß? Schön wär's schon.

Herzliche Grüße!

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4 Kommentare

  • Das stimmt und man soll auf seinen Körper hören, das tun wir leider viel zu selten und manchmal kann es dann zu spät sein
  • Liebe Frau Kraus,
    ja, leider hören wir oft nur zu, um dann sofort eine "richtige" Antwort präsentieren zu können - "richtig" im Sinne von "was das Frontalhirn denkt, was für den Körper gut ist".
    Wäre ZUHÖREN, um besser zu VERSTEHEN nicht manchmal lohnender?
    Statt: "Körper! Horch! Ich weiß, was gut für dich ist! Auch wenn dir die Maßnahmen nicht gefällt!" lieber:
    "Was brauchst du, lieber Körper, jetzt in diesem Moment, dass es dir besser geht?"
    Herzliche Grüße
    Manuela

  • Super geschrieben und so kann man es sich vorstellen
  • Liebe Ilona,
    vielen Dank! Freut mich, dass du mit dieser Sichtweise was anfangen kannst.
    Herzliche Grüße
    Manuela

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© 2022 Manuela Bößel * tangofish